Alessandro Brignach vor seinem Elternhaus in Bozen. Der 51-Jährige liebt den Wind, dem er am liebsten mit dem Camper hinterherreist, an Orte, an denen er mit seinem Kite übers Wasser fliegen kann. Mit dem E-Bike erkundet Brignach die Berge um seinen Wohnort Brixen, früher fuhr er Downhill – zu extrem und gefährlich, sagt er heute. „Aber Sport war mir immer wichtig, um Stress abzubauen.“
Ein Frühsommerabend in Südtirol: Alessandro Brignach schlendert durch die Altstadt von Bozen. Vor dem „Maximilianischen Amtshaus“ in der Bindergasse bleibt er stehen. Es ist mehr als 500 Jahre alt und wurde immer wieder neu genutzt – als Außenposten der Innsbrucker Regierung, als Zolleinhebestelle, im 16. Jahrhundert wurden in seinem Kaisersaal Landtage abgehalten, 1997 eröffnete hier das Naturmuseum Südtirol. Das Amtshaus ist das Elternhaus von Alessandro Brignach: „Hier habe ich meine Kindheit verbracht, im Hinterhof bin ich Fahrrad gefahren, habe im Sandkasten und mit Autos gespielt.“
Als Jugendlicher lernt er Schlagzeug, spielt mit seiner Band Gigs in ganz Norditalien. Nach der Gewerbe-Oberschule absolviert Brignach ein Elektronikstudium. Seine ersten Jobs findet er in der Tiefkühl-Lebensmittelbranche: Erst disponiert er LKW-Transporte, dann verkauft er die eisige Ware. Dem Vertrieb bleibt er sein ganzes Berufsleben treu. In der italienischen Tochtergesellschaft eines baden-württembergischen Anbieters von Fahrzeug- und Betriebseinrichtungen spezialisiert er sich auf ergonomische Arbeitsplatzsysteme für Menschen mit sitzenden Tätigkeiten. Brignach steigt auf – vom Verkäufer zum Vertriebsleiter zum Geschäftsführer. Nach elf Jahren wechselt er die Branche und kommt zum ersten Mal mit der Welt der Fenster und Türen in Kontakt. Für ein Handelsunternehmen, wieder aus Baden-Württemberg, übernimmt er die italienische Vertriebsleitung für Holzfenster, Holztüren, Werkzeuge und Zubehör. Zu seinen Aufgaben gehört es auch, unprofitable Niederlassungen in Italien zu schließen. „Ich bin dort sechs Jahre geblieben, wollte dann aber wieder für ein produzierendes Unternehmen arbeiten. Ein Freund erzählte mir, dass GEALAN einen Vertriebsleiter für Italien suche. Nach einer telefonischen Besprechung traf ich mich mit der Geschäftsführung am Flughafen Mailand-Malpensa, dann habe ich die GEALAN-Zentrale in Oberkotzau besucht und im Mai 2013 habe ich angefangen.“
Brignach lernt GEALAN nach und nach kennen – die Produkte, die Abläufe. „GEALAN ist komplex. Es hat ein bisschen gedauert, das zu verinnerlichen.“ GEALAN wiederum hat damals die Eigenheiten des italienischen Marktes noch nicht verinnerlicht, beschränkt sich auf das Nötigste, bietet Standard-Profile in Weiß an, die in anderen Ländern Europas gefragt, auf dem Apennin aber chancenlos sind. Eine völlige Neuausrichtung ist unumgänglich: „Damit GEALAN in Italien richtig Fuß fassen kann, habe ich neue Strukturen geschaffen. Wir haben heute zehn Mitarbeiter und nur zwei davon waren 2013 schon bei uns. Alle anderen habe ich eingestellt.“ Jeder Kunde hat eine Ansprechpartnerin im Bozener Büro, einen Ansprechpartner im Außendienst und einen für technische Fragen. „In zehn Jahren hat GEALAN seinen Marktanteil in Italien von drei auf neun Prozent verdreifacht. Das macht mich stolz. Wir sind eine feste Größe geworden und haben inzwischen einige gute Wettbewerber überholt.“ In Italien gibt es circa 800 Betriebe, die PVC-Fenster herstellen. Vor allem im Süden fertigen Handwerker Fenster in kleinen Werkstätten, die GEALAN nicht direkt, sondern über Händler beliefert. In den unterschiedlichen Klimazonen des Landes – mediterran, kontinental, alpin – sind die Anforderungen an ein Fenster unterschiedlich, wobei es immer eine Barriere zwischen kalter und warmer Luft bilden soll. Im sizilianischen Sommer hilft es, Räume kühl zu halten. Im Winter Südtirols unterstützt es ein gemütlich-warmes Raumklima. Der Anteil an Zweit- oder Ferienhäusern ist hoch; oft werden sie ausschließlich im Sommer oder Winter genutzt. „Unser Markt ist kompliziert“, sagt Brignach. „Die kulturellen Unterschiede zwischen dem Norden und dem Süden sind groß – und der Geschmack entscheidet über das Produkt. Es gibt Farben oder Profilsysteme, die nur in bestimmten Regionen gekauft werden.“
Renovierungsrahmen aus Z-förmigen Profilen sind die gängige Basis italienischer Fenster, sogar bei Neubauten. Sie werden auf einen Blindstock aus Holz montiert und überdecken den Anschluss zur Gebäudefassade. „Nach der Montage muss nicht am Mauerwerk nachgebessert werden, nicht einmal Malerarbeiten sind nötig. Der Z-Rahmen ist ein typisch italienisches Produkt, sogar ein exklusiv italienisches Produkt, von dem wir zwei oder drei Varianten für jedes System im Sortiment haben. Ohne Profile für Renovierungsrahmen wären wir als Lieferant für Italiener uninteressant.“
Bei der Erneuerung von Fenstern sehen italienische Behörden genau hin. Denn neue Fenster müssen in der Regel die Farbe und Ästhetik ihrer Vorgänger haben, die oft Holzfenster waren. Diese Vorgabe gilt allerdings – im Sinne eines homogenen Fassaden-Gesamtbilds – nur für die Fenster-Außenseite. Alte Holzfenster müssen durch Fenster ersetzt werden, die wenigstens wie Holz aussehen. „Holzoptik ist weit verbreitet. Die Hälfte der Profile, die wir verkaufen, hat Holzdekor. Einige Farben für Holzdekorfolien hat GEALAN extra auf Wunsch italienischer Kunden entwickelt. Italiener suchen immer etwas Besonderes und sie lieben Design. Design geht vor Uw-Wert. Und nach dem Design zählt die Sicherheit.“
Ausgelöst durch staatliche Förderprogramme für die energetische Sanierung von Gebäuden hat Italien in den vergangenen drei Jahren einen Renovierungsboom erlebt. „Das war Doping für den Markt“, sagt Alessandro Brignach. „Die Umsätze im Fensterbau sind explodiert. Allerdings laufen die Programme nun aus und der Markt konsolidiert sich.“ Mit 35 Millionen Euro verbucht GEALAN 2023 einen Rekordumsatz in Italien und das größte Wachstum in allen europäischen Märkten. Der positive Trend verstärkt sich im ersten Quartal 2024 noch, dann bekommt auch GEALAN die Marktkonsolidierung zu spüren.
Die staatliche Förderpolitik hat für GEALAN einen positiven Nebeneffekt: „Es gab Profilanbieter, die wegen der hohen Nachfrage nicht liefern konnten. Wir sind eingesprungen und konnten so einige Neukunden gewinnen.“ Brignach vergleicht die Kundenakquise mit „salto in alto“ (deutsch: Hochsprung). Verarbeitet ein Fensterhersteller schon lange ein bewährtes Profilsystem, sei er schwierig von einem Wechsel zu überzeugen. „Man kann hüpfen, aber die Latte liegt zu hoch. Wir setzen auf Konstanz. Mit Ausdauer und Beharrlichkeit und mit überzeugenden Argumenten gewinnen wir das Vertrauen der Kunden. Für weiteres Wachstum brauchen wir weitere Kunden. Gleichzeitig dürfen wir unsere Bestandskunden nicht vernachlässigen.“
Alessandro Brignach ist ein Vertriebsmensch, der mit erneuerten Strukturen die Basis für den Vertriebserfolg geschaffen hat. „Ohne stabile Organisation kann man nichts verkaufen. Man kann kein Schloss auf Sand bauen. Gute Leistung, gute Preise, guter Service – das macht für mich eine gute Organisation aus.“ Im Sommer 2024 erhalten die Strukturen schließlich einen neuen Rahmen und einen neuen Namen – die GEALAN Italia S.r.l. wird gegründet. Brignach leitet nun keine Auslandsniederlassung mehr, er führt eine eigenständige Gesellschaft. „Unsere Kunden behalten ihre Ansprechpartner, aber sie haben einen italienischen Vertragspartner. Wir sind in neue Büroräume gezogen und planen, noch drei Leute einzustellen.“
Notartermine, Bürokratie, der Stresstest für die neue SAP-Architektur – Brignach möchte nach der aufreibenden Gründungsphase wieder mehr Zeit haben für den Vertrieb, dem er sich vor Jahrzehnten verschrieben hat. Ein klares Ziel habe er für GEALAN Italia: „90 Kunden. Als ich 2013 angefangen habe, waren es 30. Heute sind es 60.“ Das Kundenportfolio sei sehr ausgewogen und GEALAN sei mittlerweile stark darin, seine Kunden auch zu halten.
Neue Strukturen, neue Rahmenbedingungen, neue Ziele – Alessandro Brignach hat GEALAN in Italien neu ausgerichtet. „Vor zehn Jahren hatte die Marke GEALAN keine Bedeutung in Italien. Heute ist GEALAN präsent, eingebunden in Verbände, vernetzt mit Medien und hat sich in den Top 5 der bekanntesten PVC-Profilmarken etabliert.“
Götz Gemeinhardt
20.11.2024
Das Gefühl, Fernweh zu haben, kennt Vera Lahme. „Ich erinnere mich, dass ich als Jugendliche meine Oma vom Flughafen abgeholt habe – und plötzlich das dringende Bedürfnis hatte, in irgendeinen Flieger zu springen, um in die weite Welt zu reisen, irgendwohin, wo ich noch nie war. Warum ich den Impuls hatte, weiß ich nicht, aber ich denke, dieses Grundgefühl hat mich immer angetrieben und mein Leben mitbestimmt.“ Vera Lahmes Biografie, die auf drei Kontinenten spielt, hat sie geprägt, global zu denken. Ihr Weg verbindet verschiedene Welten: die Geborgenheit einer Kindheit im Westdeutschland der 80er Jahre, die Herausforderung, sich als Schülerin im US-amerikanischen Süden in einer fremden Sprache und in einer anderen Kultur zurechtzufinden, als Erwachsene der Aufbruch ins tropische, multikulturelle Singapur, dann der Wechsel in die Metropole London, das Herz Großbritanniens – Vera Lahme trägt viele verschiedene sprachliche, kulturelle, berufliche Erfahrungen in sich. Diesen Reichtum im Gepäck, setzt sie sich nun für GEALAN ein: Als Head of Sustainability plant sie, wo GEALAN in Sachen Nachhaltigkeit hinwill. Um Umweltthemen allein geht es dabei längst nicht mehr. Nachhaltigkeit verlangt heute einen weiten Blick.
Jaunius Šileikis am Grenzübergang Medyka–Schehyni: hinter ihm die Europäische Union, vor ihm ein EU-Beitrittskandidat mit großem Potenzial, aber auch großen Problemen. Eine Dienstreise in die Ukraine, ein Land im Krieg. Im Rollkoffer: Gepäck für drei Nächte. Im Rucksack: Fensterprofil-Muster. Jaunius Šileikis betritt für GEALAN Neuland; er sucht nach Wegen, die zum Erfolg in den Märkten der ehemaligen Sowjetunion führen. GEANOVA hat Jaunius Šileikis im Sommer 2024 in die Ukraine begleitet und zeigt den Alltag eines Fensterherstellers und des GEALAN- Vertriebsmanns vor Ort – in einem Land, in einer Zeit, in der es eigentlich keinen Alltag mehr gibt.
Drohnenaufnahme: Ronny Müller sieht die Dinge gerne von oben, denkt in großen Zusammenhängen, behält den Überblick. Als Leiter des Demand Managements konstruiert er GEALANs IT-Architektur mit, treibt die Digitalisierung voran und ist ständig auf der Suche nach der noch besseren IT-Lösung.
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