Als Patrick Martinez vor 15 Jahren nach Dijon zieht, schickt man ihn zur Eule. Also geht er in die Rue de la Chouette an der Nordseite von Notre-Dame de Dijon, einer gotischen Kirche aus dem 13. Jahrhundert. Dort sitzt die steinerne Eule seit über 500 Jahren auf einem Strebepfeiler, rundgestreichelt und nach Vandalismus 2001 wieder hergerichtet.
Dem Wahrzeichen Dijons wird nachgesagt, es erfülle Wünsche, wenn man es mit der linken Hand, der Hand des Herzens, berühre. Einheimische und Touristen pilgern in die Eulengasse und auch Patrick Martinez berührt die Eule und wünscht sich etwas. Seinen Wunsch verrät er nicht, aber er gesteht: In Erfüllung gegangen ist er nicht.
Patrick Martinez (49), geboren in Sainte-Foy-lès-Lyon, einem Vorort von Lyon, besucht nach dem Abitur und zwei Jahren als Chemietechniker die CPE Lyon, eine der Elitehochschulen Frankreichs. Er absolviert zwei Praxissemester in einem Unternehmen, das Polyamid extrudiert. Gegen Ende seines Studiums spezialisiert er sich auf PVC-Rezepturen. Neun Jahre lang arbeitet der Chemieingenieur bei einem PVC-Profilhersteller in Okzitanien. 2008 wird er Technischer Leiter von GEALAN France, verantwortlich für den Kundendienst, für Prüfungen, Reklamationen und die Entwicklung neuer Produkte. Seit 2016 führt er die Geschäfte der französischen Tochtergesellschaft von GEALAN.
Der Gründung der GEALAN S.A.R.L. am 1. Juli 2005 geht eine Marktanalyse zur Positionierung in Westeuropa voraus. „GEALAN France hätte auch GEALAN United Kingdom heißen können. In Großbritannien wäre aber ein kompletter Neustart notwendig gewesen, für den französischen Markt konnte GEALAN bewährte Profile anpassen“, erklärt Patrick Martinez. Während sich andere Systemgeber nahe der deutsch-französischen Grenze niedergelassen hatten, sollte GEALAN eine klare französische Identität bekommen. Dijon ist gut angebunden, liegt drei Autostunden von Paris entfernt und ist von der GEALAN-Produktion in Tanna mit dem LKW an einem Tag zu erreichen.
Nach ein paar Wochen in einem Gründerzentrum bezieht GEALAN France Büros (250 m2) und ein Lager (3000 m2) in Chevigny-Saint-Sauveur. Doch die Marke ist noch unbekannt und das Produkt trifft den Geschmack der Franzosen nicht ganz: „Wir haben S 3000 angeboten, ein System mit kantigem Design. Der Markt verlangte damals aber nach etwas Runderem. Mit S 8000 wurde es einfacher und wir wuchsen.“ Im Sommer 2010 zieht GEALAN um – in Gevrey-Chambertin stehen 6500 m2 Lagerfläche zur Verfügung.
Um in Frankreich Fuß zu fassen, investiert GEALAN in ein Technikum – gruppenweit das einzige neben dem am Stammsitz in Oberkotzau. Denn für den Verkauf von Fenster- und Türprofilen ist in Frankreich ein Avis Technique (ATec) Pflicht, ein Zertifikat, ausgestellt vom Wissenschaftlichen und Technischen Zentrum für Bauwesen (CSTB). Mit dem ATec bewertet eine Fachgruppe die Einsatztauglichkeit innovativer Bauverfahren. GEALAN France führt im eigenen Technikum Sicherheits- und Stabilitätstests durch und baut Prüfelemente, die beim CSTB zur Zertifizierung eingereicht werden. Patrick Martinez: „Die französischen Bestimmungen für die Fensteraussteifung unterscheiden sich von den Vorgaben in anderen Ländern Europas.“ Auch für den Musterbau ist GEALAN France dank hausinternem Technikum gut aufgestellt: Wird fürs GEANOVA-Fotoshooting im Weinberg spontan ein roter Blendrahmen benötigt, ist er schnell geschweißt.
„85 Prozent der Profile, die wir verkaufen, sind französische Profile“, sagt Martinez. Sie werden in Deutschland extrudiert, haben jedoch einen französischen Charakter. Der fällt vor allem bei Blendrahmen-Profilen ins Auge: Sie besitzen einen ausgeprägten Anschlag, der die Gebäude-Innendämmung, die in Frankreich weit verbreitet ist, überdeckt. Werden in Frankreich Gebäude saniert, werden in der Regel neue Kunststofffenster auf vorhandene Holzblendrahmen montiert. Dafür gibt es Rahmenprofile in vielen verschiedenen Bautiefen, die teilweise wesentlich höher sind als in Deutschland. Die Konstruktion des Systems S 8000 FR, das 2011 eingeführt wurde, entspricht also ganz den nationalen Spezifikationen des Fensterbaus und Fenstereinbaus in Frankreich: „Es basiert zwar auf S 8000, wir konnten aber nur wenige Profile eins zu eins übernehmen, die mit den Montageanforderungen in Frankreich kompatibel sind, etwa für Haustüren und Pfosten.“
Für 2026 plant GEALAN einen Meilenstein: Dann soll ein eigenständiges Profilsystem präsentiert werden, komplett in Frankreich entwickelt und in Abstimmung mit den GEALAN-Konstrukteuren in Deutschland zur Serienreife gebracht. „Es ist noch zu früh, über Details zu sprechen. Diese Innovation war anfangs nur für Frankreich gedacht, hat aber schon Interesse in anderen Ländern geweckt.“ Kunden und Interessenten weiht Patrick Martinez in seine Systemstrategie ein – zur Überraschung eines Fensterherstellers, der seine Produktion auf GEALAN-Profile umstellen und auch das angekündigte System verarbeiten möchte: „Er hat ein bisschen gelacht und ich habe gefragt, warum. Er konnte nicht glauben, dass wir ihn so früh in unsere Überlegungen einbeziehen. Sein aktueller Lieferant lege keinen Wert auf seine Einschätzung.“
Mit offenem Ohr und Weitblick analysiert GEALAN France, welche Maßnahmen welchem Kunden helfen, zu wachsen. Wächst der Kunde, wächst GEALAN. Martinez hat Kundenzufriedenheit zur Maxime gemacht und sieht sich bestätigt, wenn aus einem Kunden mit gelegentlichen Bestellungen ein Stammkunde mit 1,2 Millionen Euro Jahresumsatz geworden ist. Oder wenn ihm ein Kunde schreibt: „Es tut gut, unterstützt zu werden. Ich habe mich wegen des Service für GEALAN entschieden und ich habe mich nicht geirrt.“ Stellt ein Fensterbauer seine Produktion auf GEALAN-Profile um, begleitet ihn GEALAN auf dem Weg zum Fertigungsstart. Die IT-Fachleute von GEALAN sprechen die Sprachen von vier Fensterbau-Softwares. „Wir sind vor Ort, planen und organisieren die Umstellung mit dem Kunden und seinen Maschinenlieferanten. Wir stellen sicher, dass Werkzeuge korrekt installiert und Anlagen richtig konfiguriert werden. Der Kunde profitiert von unserer Erfahrung mit Zertifizierungen und der CE-Kennzeichnung. Wir wissen, wie wir bei der Umstellung die Bremsen lösen.“
Kundenservice ist keine One-Man-Show. Auch im Hinblick auf die geplante Einführung des neuen Profilsystems hat GEALAN France seine Vertriebsmannschaft verstärkt. „Wir werden 4 Millionen Euro investieren. Natürlich spüren wir Druck, wir werden neue Kunden gewinnen und Mengen verkaufen müssen. Aber ich vertraue unserem Team aus vier Kundenberatern, das wir noch mit Beratern für Architekten und Händler ergänzen werden.“ Innovation als Wachstumsmotor: 10 bis 12 Millionen Euro jährlichen Umsatz soll das neue Produkt bringen und den Gesamtumsatz über die 30-Millionen-Euro-Marke heben. Rund 30 Menschen arbeiten bei GEALAN in Gevrey-Chambertin, seit Herbst 2023 auf abermals verdoppelter Büro- und Lagerfläche. Das Unternehmen ist also auch räumlich auf Wachstumskurs. „Wir konnten das Außenlager auflösen und haben nun Platz für weitere Artikel im Sortiment – Rollladenkästen, Schiebefenster, neue GEALAN-acrylcolor®-Farben.“
Fast 16 Jahre lebt Patrick Martinez in Dijon. Mag ihm das Wahrzeichen der Stadt auch seinen Wunsch abgeschlagen haben – irgendwie hat ihm die Eule doch Glück gebracht: „Ich fühle mich hier wohl, privat, mit meinen Kolleginnen und Kollegen an unserem Standort und in der GEALAN-Gruppe. Ich liebe Technik und unsere Profile sind faszinierende Technik. Ich bin ein emotionaler Mensch. Mein Herz schlägt für GEALAN.“
Die Eule als Glücksbringer für GEALAN? So weit will Martinez nicht gehen: „Wir haben schwierige Jahre und harte Aufbauarbeit hinter uns. Und wir mussten viel investieren, etwa in neue Werkzeuge für die Extrusion der S 8000 FR-Profile. Ein französisches Sprichwort sagt: Les étoiles sont alignées - die Sterne sind ausgerichtet. Wir sind jetzt auf einem guten Weg, das spüre ich. Unser Wachstum beruht auf guten Argumenten für unsere Kunden und auf dem Vertrauen zwischen Deutschland und Frankreich. Hätte ich mich auf diese Eule verlassen, wäre ich wohl nicht mehr hier.“ Gestreichelt hat er sie trotzdem noch einmal. Schaden kann’s nicht.
Marc Schenk
07.11.2023
Das Gefühl, Fernweh zu haben, kennt Vera Lahme. „Ich erinnere mich, dass ich als Jugendliche meine Oma vom Flughafen abgeholt habe – und plötzlich das dringende Bedürfnis hatte, in irgendeinen Flieger zu springen, um in die weite Welt zu reisen, irgendwohin, wo ich noch nie war. Warum ich den Impuls hatte, weiß ich nicht, aber ich denke, dieses Grundgefühl hat mich immer angetrieben und mein Leben mitbestimmt.“ Vera Lahmes Biografie, die auf drei Kontinenten spielt, hat sie geprägt, global zu denken. Ihr Weg verbindet verschiedene Welten: die Geborgenheit einer Kindheit im Westdeutschland der 80er Jahre, die Herausforderung, sich als Schülerin im US-amerikanischen Süden in einer fremden Sprache und in einer anderen Kultur zurechtzufinden, als Erwachsene der Aufbruch ins tropische, multikulturelle Singapur, dann der Wechsel in die Metropole London, das Herz Großbritanniens – Vera Lahme trägt viele verschiedene sprachliche, kulturelle, berufliche Erfahrungen in sich. Diesen Reichtum im Gepäck, setzt sie sich nun für GEALAN ein: Als Head of Sustainability plant sie, wo GEALAN in Sachen Nachhaltigkeit hinwill. Um Umweltthemen allein geht es dabei längst nicht mehr. Nachhaltigkeit verlangt heute einen weiten Blick.
Alessandro Brignach vor seinem Elternhaus in Bozen. Der 51-Jährige liebt den Wind, dem er am liebsten mit dem Camper hinterherreist, an Orte, an denen er mit seinem Kite übers Wasser fliegen kann. Mit dem E-Bike erkundet Brignach die Berge um seinen Wohnort Brixen, früher fuhr er Downhill – zu extrem und gefährlich, sagt er heute. „Aber Sport war mir immer wichtig, um Stress abzubauen.“
Drohnenaufnahme: Ronny Müller sieht die Dinge gerne von oben, denkt in großen Zusammenhängen, behält den Überblick. Als Leiter des Demand Managements konstruiert er GEALANs IT-Architektur mit, treibt die Digitalisierung voran und ist ständig auf der Suche nach der noch besseren IT-Lösung.
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